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Amygdalin ist ein natürlich vorkommender Stoff, der eine Vorstufe zur hochgiftigen Blausäure darstellt. Bei Kontakt mit Wasser wird die Blausäure in einer chemischen Reaktion freigesetzt, bestimmte Enzyme unterstützen diesen Vorgang noch, wenn er im menschlichen Körper stattfindet.

Warum wundert es uns nicht, wenn Amygalin trotzdem in der Pseudomedizin propagiert wird? Es gilt unter der reinen Fantasiebezeichnung “Vitamin B 17” als “probates” Mittel in der “biologischen Krebstherapie” – ist aber nicht nur unwirksam, sondern schädlich und unter Umständen auch tödlich.

Amygdalin ist der Stoff, der für das “Bittere” in Bittermandeln verantwortlich ist. Er ist aber auch in Kernen von Steinobstsorten enthalten, besonders in Aprikosenkernen. Und die spielen im Zusammenhang mit der pseudomedizinischen Anwendung von Amygdalin – “Vitamin B 17” – eine entscheidende Rolle. Woher kommt das?

Ein gewisser Dr. Krebs (ausgerechnet) experimentierte in den 1920er Jahren in den USA mit Geschmacksverbesserern für Whisky. Dabei meinte er, mit den Aprikosenkernen einem Krebstherapeutikum auf die Spur gekommen zu sein. Völliger Unsinn ohne jeglichen Nachweis, aber wie so oft, hat sich diese Geschichte gehalten und wird nach wie vor verbreitet (mehr denn je in den Zeiten des Internets). Und mit den chemischen und physiologischen Eigenschaften von Vitaminen hat das überhaupt nichts zu tun, Amygdalin ist kein Stoff, den der Organismus für seine Lebensfunktionen benötigt (was das eigentliche Merkmal von “Vitaminen” ist) – ganz im Gegenteil.

Aufgrund der “Empfehlungen” alternativmedizinischer “Therapeuten” kommt es immer wieder zu Vergiftungen, gelegentlich zu Todesfällen von Krebspatienten, die sich – durchaus verständlich – an jedes Heilsversprechen klammern. Man muss demnach realisieren, dass es hier um einen Stoff geht, der einerseits keine Wirkung hat und andererseits ein außergewöhnliches Schadenspotenzial in sich birgt,

In Deutschland hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Amygdalin (das auch schon als Inhaltsstoff von Fertigpräparaten oder gar als reines Produkt angeboten wurde) als bedenklich eingestuft. Von der Anwendung amygdalin-haltiger Produkte und Mittel rät das BfArM ab. Das Bundesamt für Risikobewertung warnt ausdrücklich vor dem Verzehr von mehr als ein bis zwei Kernen pro Tag.

Diese Einstufung hat zur Folge, dass eine Zulassung von Amygdalin als Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz ausgeschlossen ist. Der Vertrieb ist illegal. Und hier kommen die Aprikosenkerne ins Spiel, die seit geraumer Zeit in den Regalen von Drogerien und Bioläden abgepackt zu finden sind, teils als “Bio-Qualität” ausgezeichnet. Dies ist nichts anderes als ein Umgehen des Vertriebsverbotes für amygdalinhaltige Fertigprodukte auf der Schiene eines Nahrungsersatzmittels, das natürlich ohne jede direkte Anwendungsempfehlung, gelegentlich sogar mit “Warnhinweisen”, angeboten wird (“nur zwei bis drei Kerne pro Tag”. Anwender, die ihre eigene “Verordnung” von ihrem alternativmedizinischen Therapeuten bekommen haben, scheren sich nicht um solche Alibi-Angaben. Uns sind „Empfehlungen“ auch von „Ausübenden der Heilkunde“ bekannt, Aprikosenkerne in mehr als bedenklicher Dosis gegen Tumorerkrankungen oder gar zu deren Vorbeugung (!) einzusetzen. Es gab auch schon Fälle, wo wegen des Unterbleibens sinnvoller Behandlungen wegen einer „Amygdalintherapie“ jede Hilfe der wissenschaftlichen Medizin zu spät kam.

Unser Fazit: Es gibt keinen Anlass, Aprikosenkerne aus irgendeinem Grund zu sich zu nehmen, ebensowenig, so etwas überhaupt im Haus zu haben – eine potenzielle Vergiftungsgefahr, beispielsweise, wenn Kinder die Kerne als Knabbereien missverstehen. Hören Sie von einer Empfehlung zum Verzehr von Aprikosenkernen, widersprechen Sie und weisen Sie auf diesen Artikel hin. Wir mahnen übrigens Anbieter und Vertreiber von amygdalinhaltigen Waren und Produkten ab, wenn sie die rechtlichen Grenzen überschreiten (z.B. mit einer Anwendungsempfehlung werben).


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